Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juni den Leitzins gesenkt – zwei Jahre, nachdem sie diesen wegen der hohen Inflation Schritt für Schritt angehoben hat. Die Senkung dürfte sich indirekt auch auf die Bauzinsen auswirken.
Niedrigere Zinsen erleichtern Immobilienkäufern zwar die Finanzierung, jedoch könnte die Preisentwicklung bei Wohnimmobilien wieder an Fahrt gewinnen. Bereits nach dem geringen Rückgang der Bauzinsen Ende 2023 sind die Angebotspreise von Wohnungen in den größten deutschen Städten spätestens zwei Monate danach wieder gestiegen. Das zeigt eine Analyse von immowelt, die untersucht hat, wie lange es nach einer Änderung bei den Bauzinsen in der Vergangenheit gedauert hat, bis sich die Angebotspreise in den 15 größten deutschen Städten verändern.
Nach dem Ende der Niedrigzinsphase und dem rapiden Anstieg der Bauzinsen ab Ende 2021 dauerte es demnach in der Spitze sechs Monate, bis die Angebotspreise gesunken sind. Als es Ende 2023 wieder einen kleineren Zinsschritt nach unten gab, reagierte der Markt hingegen deutlich schneller: Die Preise erhöhten sich deutlich schneller – zum Teil sogar schon vorher.
„Das schlagartige Ende der Niedrigzinsphase vor gut zwei Jahren hat den Immobilienmarkt erschüttert und Verkäufer verunsichert. Es hat bis zu einem halben Jahr gedauert, bis sie die Zurückhaltung von Käufern durch die höheren Bauzinsen und die gleichzeitig gestiegenen Energiepreise, inklusive drohender Heizungsverbote, eingepreist wurde“, sagt immowelt-Geschäftsführer Felix Kusch. „Die kleinsten Anzeichen der Verbesserung der Marktlage, wie durch die leicht gesunkenen Bauzinsen Ende 2023, haben hingegen binnen kürzester Zeit bereits wieder zu steigenden Preise geführt. Die Leitzinssenkung könnte den Trend nach oben verstärken.“
Preisanstiege in 3 von 15 Städten bereits vor Zinssenkung
Als im Oktober des vergangenen Jahres die durchschnittlichen Bauzinsen begannen zu sinken, ohne dass die EZB den Leitzins veränderte, reagierte der Markt binnen kürzester Zeit – obwohl der Zinsschritt von rund 4 auf 3,6 Prozent eher moderat war. In Leipzig war der Zeitraum mit zwei Monaten am längsten, bis sich die Angebotspreise wieder verteuerten. In 6 von 15 Städten dauerte es einen Monat, bis die Angebotspreise wieder nach oben kletterten. Darunter waren auch hochpreisige Städte wie München und Köln. In vier weiteren Städten, darunter Hamburg und Düsseldorf, erfolgte die Preiserhöhung noch im gleichen Monat wie die Zinssenkung.
In drei Städten verteuerte sich Wohneigentum sogar schon vor der Zinssenkung. Eine davon ist Berlin: In der Hauptstadt haben sich die Preise schon im August 2023 wieder leicht verteuert, also zwei Monate vor dem Zinsrückgang. Das könnte damit zusammenhängen, dass das Interesse an Immobilien aufgrund der großen Attraktivität und der verglichen mit anderen europäischen Hauptstädten niedrigen Kaufpreise schneller zurückgekehrt ist beziehungsweise nicht so stark abgeflacht wie andernorts. Gerade für finanzkräftige Investoren aus dem In- und Ausland ist der Berliner Markt besonders interessant.
Neben der Hauptstadt kam es in Essen (1 Monat vorher) und Duisburg (2 Monate vorher) am schnellsten zu Preisanpassungen. Beide Städte zählen zu den günstigsten Großstädten des Landes, weswegen sich die höheren Finanzierungskosten generell weniger stark ausgewirkt haben und Käufer schneller auf den Markt zurückgekehrt sind.
Ende Niedrigzinsphase: Preissenkungen mit halbem Jahr Verzögerung
Deutlich länger dauerte es, bis sich das Ende der Niedrigzinsphase, das sich schon Ende 2021 angedeutet hat, auf die Angebotspreise von Wohnungen ausgewirkt hat. In Berlin dauerte es mit sechs Monaten am längsten, ehe die Angebotspreise sanken. Auch hier zeigt sich, dass die Nachfrage in der Hauptstadt stabiler zu sein scheint als in anderen Großstädten. In Duisburg dauerte es ebenfalls ein halbes Jahr bis zu Preisrückgängen.
Deutlich schneller ging es in den überhitzten Märkten. In München und Frankfurt sanken bereits im Februar 2022, also zwei Monate nach dem ersten Zinsanstieg. In Hamburg und Stuttgart dauerte es zwei Monate.
Um die hohe Inflation infolge des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise zu bekämpfen, erhöhte die EZB den Leitzins ab Juli 2022 zehnmal in Folge. In Erwartung an diese Anhebungen und angelehnt an die wirtschaftlichen Schwierigkeiten reagierten die Bauzinsen schon ab Dezember 2021 mit Anstiegen. Binnen eines halben Jahres kletterten die durchschnittlichen Bauzinsen von 1 auf über 4 Prozent.